CRM -
Grundlagen
Der Begriff des Customer Relationship Management, kurz CRM
genannt, ist in aller Munde. Doch worauf kommt es eigentlich beim CRM an? Und
wie kann dieses Konzept fürs eigene Unternehmen nutzbar gemacht werden? Eine
"Bedienungsanleitung".
1 Grundlagen
1.1 Von der Produkt- zur Kundenorientierung
Mit „Customer Relationship Management" (CRM) erobert ein neuer
Begriff das betriebswirtschaftliche Umfeld. So überfluten mittlerweile
zahllose Software-Hersteller den Markt mit immer neuen CRM-Lösungen. Unternehmensberatungen
entdecken den Wert des Kunden neu und propagieren dies als bislang sträflich
vernachlässigt. Messen, Kongresse und Workshops schießen aus dem Boden. Immer
mehr Publikationen widmen sich dem Thema CRM.
Die rasche Verbreitung des CRM-Begriffs übt auf
Entscheidungsträger aus der Wirtschaft einen "wettbewerbsgetriebenen
Zwang" aus, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Doch wie es bei vielen
(modischen?) Schlagwörtern der Fall ist, wird man beim Einstieg in diese
Thematik mit einer Fülle von Definitionen, Vorstellungen, Wahrheiten und
Halbwahrheiten eingedeckt. Um vor diesem Hintergrund ein Verständnis für die
Zielsetzungen des CRM zu erlangen, müssen eingangs die Beweggründe
durchleuchtet werden, welche die Entwicklung des CRM forciert haben. Zentraler
Ausgangspunkt hierfür ist die Beobachtung, dass sich seit Jahren in vielen
Branchen tief greifende Veränderungen im Absatzbereich beobachten
lassen.
Galt es bisher für viele Unternehmen als ausreichend, ihre
Absatzbemühungen produktorientiert auszurichten und durch die "klassischen"
Instrumente des Massenmarketings zu unterstützen, so erweist sich heute eine unpersönliche
Kundenansprache angesichts des wachsenden Konkurrenzdrucks häufig nicht
mehr als wirksam.
Betrachtet man das Verhalten des heutigen Kunden, so lässt sich
eine hohe Bereitschaft erkennen, eingegangene Geschäftsbeziehungen zu einem
Anbieter aufzulösen. Dieses Phänomen tritt unter anderem in der Bankenbranche
recht deutlich zu Tage. Während noch vor einigen Jahren der
"typische" Kunde seine Bankgeschäfte lediglich über eine Bank
abwickelte, der er sein Leben lang Treue zeigte, pflegen Kunden heute im Allgemeinen
parallel Kontakte zu mehreren Banken und wechseln bei der Inanspruchnahme von
Finanzdienstleistungen gezielt zwischen den Instituten. Dass die betroffenen
Unternehmen versuchen, sich dieser Entwicklung entgegenzustellen, ist
plausibel. Zum einen müssen verlorene Kunden mittels Einsatz hoher Marketingkosten
ersetzt werden. Zum anderen steigt die Profitabilität der Kunden mit
der Dauer der Kundenbeziehung.
Auch wenn mittlerweile die Notwendigkeit erkannt wurde, der
Abwanderung von Kunden entgegenzuwirken und ihre Bindung an das Unternehmen zu
erhöhen, besitzen die Unternehmen hierfür jedoch nur eingeschränkte
Handlungsoptionen. So erscheint eine Profilierung über das eigentliche Kernprodukt
kaum mehr möglich, da sich Qualität und Preise der Konkurrenzprodukte zunehmend
angleichen. Wenn jedoch in Massenmärkten eine Kundenbindung über qualitativ
hochwertige Produkte ausscheidet, so muss dem Kunden über diese
"selbstverständliche" Kernleistung hinaus ein hohes Maß an
Zusatzleistungen geboten werden, die individuell an seinen Bedürfnissen
ausgerichtet sind.
Diese aktuellen Markterfordernisse verlangen eine Neuausrichtung
der Unternehmensstrategie: Weg von der Transaktionsorientierung, hin
zur Kunden -und Beziehungsorientierung. Bereits seit einigen Jahren
schlägt sich dieses veränderte Verständnis in den Zielsetzungen nieder, die im
Marketing verfolgt werden. So wird in zunehmendem Maße das verbreitete
transaktionsorientierte Marketing, das tendenziell auf kurzfristig
ausgerichtete Neukundengewinnungsaktivitäten abzielt, durch ein
beziehungsorientiertes Marketing abgelöst (siehe Tabelle 1).
Der Wandel von einer eher punktuellen Kundenbearbeitung zu einer
umfassenden Berücksichtigung der gesamten Kundenbeziehung geht einher mit
erhöhten Anforderungen an die Verfügbarkeit von Kundeninformationen. Nur auf
der Basis umfassender Informationen über den Kunden kann dieser -
ausgehend vom aktuellen Beziehungsstatus - differenziert angesprochen und
proaktiv mit Produkten und Serviceleistungen versorgt werden, die seinen
spezifischen Bedürfnissen entsprechen.
Tabelle 1: Unterschiede zwischen Transaktions- und
Beziehungsmarketing
Dimension
|
Transaktions-marketing
|
Beziehungs-marketing
|
Zielobjekt
|
einzelne
Transaktion
|
Beziehung
|
Zeitlicher
Horizont
|
tendenziell
kurzfristig
|
tendenziell
langfristig
|
Strategie
|
Neukunden-
gewinnung
|
Bewahrung
bestehender Beziehungen
|
Fokus
|
vorwiegend
Pre Sales
|
alle
Phasen, hohe Bedeutung des Post Sales
|
Kontaktintensität
|
niedrig
|
hoch
|
Stärke der
gegen- seitigen Abhängigkeit
|
relativ
niedrig
|
relativ
hoch
|
Messung
der Kundenzufriedenheit
|
indirekt
(Marktanteil)
|
direkt (Befragung)
|
Wichtigste
Qualitätsdimension
|
Produktqualität
|
Interaktionsqualität
|
Rolle des
Mitarbeiters für Geschäftserfolg
|
niedrig
|
hoch
|
Produktionsfokus
|
Mass Production
|
Mass Customization
|
In der Vergangenheit stellten diese Anforderungen die Unternehmen
vor fast unlösbare Probleme. Die zur differenzierten Kundenansprache benötigten
Informationen waren über eine Vielzahl von Computersystemen verteilt und damit
- wenn überhaupt - nicht rechtzeitig verfügbar. Darüber hinaus waren sie nur
unter großen Bemühungen zu gewinnen. Durch die rasante Entwicklung der Informations-
und Kommunikationstechnologie verschwindet die Barriere einer mangelhaften
Informationsversorgung jedoch zunehmend und erlaubt den Unternehmen eine effiziente
Nutzung der Kundendaten und somit die Aufnahme eines fein differenzierten Dialogs.
Dies führt zur Renaissance des "Tante-Emma-Prinzips".
Die Unternehmen kennen die Bedürfnisse ihrer Kunden, können sie selbst
auf Massenmärkten differenziert ansprechen und ihnen im Rahmen einer „Mass
Customization“ maßgeschneiderte Produkte und Dienstleistungen anbieten.
Auf Grundlage einer solchen kundenorientierten Ausrichtung sollen
langfristig profitable Kundenbeziehungen aufgebaut und nachhaltig gepflegt
werden. Dies zu erreichen, ist zentraler Gegenstand des Customer Relationship
Management.
1.2 Begriffsabgrenzung
CRM umfasst den Aufbau, die kontinuierliche Optimierung
sowie den Erhalt dauerhafter und gewinnbringender Kundenbeziehungen. Der CRM-Ansatz greift
hierfür auf folgende, maßgebliche Prinzipien zurück:
·
Integration: Es werden alle kundenorientierten
Geschäftsprozesse in das CRM-Konzept eingebunden. Hierbei treten alle
Unternehmensbereiche, die im direkten Kontakt mit dem Kunden stehen (Customer
Touch Points), ganzheitlich und koordiniert gegenüber dem Kunden auf. Grundlage
dafür ist ein umfassendes Bild des Kunden, das durch Zusammenführung aller Kundeninformationen
aus allen Customer Touch Points gewonnen wird.
·
Langfristigkeit: Im Fokus steht nicht mehr die kurzfristig
orientierte Neukundengewinnung sondern vielmehr der Aufbau von langfristigen
Kundenbeziehungen. Dies erfolgt vor dem Hintergrund, dass mit anhaltender Dauer
der Kundenbeziehung die Rentabilität der Kunden ansteigt.
·
Profitabilität: Die Anstrengungen des Unternehmens
konzentrieren sich auf die Intensivierung und den Aufbau profitabler
Kundenbeziehungen. Kunden, die - langfristig betrachtet - einen negativen Gewinnbeitrag
liefern, werden nicht aktiv betreut.
·
Differenzierung: Die Aktivitäten des Unternehmens sollen
weitestgehend an den aktuellen Bedürfnissen und Wünschen des einzelnen Kunden
bzw. einzelner (möglichst feiner) Kundensegmente ausgerichtet werden.
·
IT-Unterstützung: Die notwendige Zusammenführung aller
Kundeninformationen sowie deren Analyse und Nutzung bedingen eine intensive
IT-Unterstützung.
Vor dem Hintergrund der hier aufgeführten Prinzipien umfasst CRM
grundsätzlich zwei zentrale Bereiche:
·
CRM steht für die Entwicklung und Umsetzung einer neuen kundenzentrierten
Unternehmensstrategie. Um diese umzusetzen, muss eine Neuausrichtung
sämtlicher Geschäftsprozesse und Verantwortlichkeiten auf den Kunden hin
erfolgen. Hierzu wird ein unternehmensspezifisches CRM-Konzept entwickelt.
·
Die Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung des CRM-Konzepts
bildet der Einsatz von integrierten Informationssystemen (CRM-Systeme).
Nur die Zusammenführung aller kundenbezogenen Informationen und die
Synchronisation aller Kommunikationskanäle erlauben eine ganzheitliche
Abbildung des Kunden und somit auch eine ganzheitliche und differenzierte
Kundenansprache.
2. Entwicklung eines ganzheitlichen CRM-Konzepts
Jedes CRM-Konzept startet mit der Integration aller verfügbaren
Kundeninformationen. Dies bildet den Ausgangspunkt für eine Analyse der
Kunden, deren Ergebnisse eine differenzierte Kundenbearbeitung ermöglichen.
Durch eine abschließende Bewertung der CRM-Umsetzung wird das CRM-Konzept zu
einem Regelkreis aufgespannt und kontinuierlich optimiert. Um den Erfolg eines
CRM-Konzepts aber sicherzustellen, ist es notwendig, CRM als strategisches
Konzept und nicht nur als IT-Projekt aufzufassen. Dies stellen die außerhalb
des Regelkreises angesiedelten flankierenden Maßnahmen der Geschäftsprozessoptimierung
und des Change Managements dar.
2.1
Geschäftsprozessoptimierung und Change Management als flankierende Maßnahmen
2.1.1
Geschäftsprozessoptimierung
Die Geschäftsprozessoptimierung nimmt eine wesentliche Rolle
bei der Umsetzung eines erfolgreichen CRM-Konzepts ein. In einer
Geschäftsprozessoptimierung sind die bestehenden kundenbezogenen Geschäftsprozesse
darauf hin zu überprüfen, ob sie den Erfordernissen der Kundenbindungsstrategie
des Unternehmens gerecht werden, ob sie anzupassen sind oder ob neue Geschäftsprozesse
implementiert werden müssen. Eine derartige Neuimplementierung eines Geschäftsprozesses
könnte beispielsweise im Vertriebsbereich von der einfachen Optimierung der
schriftlichen und mündlichen Kommunikation mit dem Kunden bis hin zur
Einsetzung eines Kontaktmanagementsystems oder Call Centers für die Auftragsannahme
reichen. Demnach müssen vor der Auswahl einer CRM-Lösung die einzelnen
Geschäftsprozesse analysiert werden. Nur so ist es möglich, ein qualifiziertes
Anforderungsprofil für ein CRM-System zu erstellen.
Im Mittelpunkt steht hier die optimale Unterstützung der
Mitarbeiter bei der Abwicklung dieser Geschäftsprozesse. Wichtig ist in
diesem Zusammenhang, dass die CRM-Lösung die Prozesse abbilden können muss
und nicht die Prozesse der Software angepasst werden müssen, wie dies noch
einige ERP-Hersteller bei der Implementierung ihrer Produkte vom Kunden
verlangen.
Die Geschäftsprozesse sind aber nicht nur bei der Auswahl einer
geeigneten CRM-Lösung zu beachten. Sie müssen auch nach der Einführung eines
CRM-Systems ständig überwacht und gegebenenfalls verbessert werden.
Durch das ständige Monitoring können wertvolle Hinweise hinsichtlich des Nutzens
des CRM-Systems gewonnen werden. Mögliche Bewertungskriterien können unter
anderem die Kosten pro Vorgang, die Geschwindigkeit der Bearbeitung oder die Erfolgsquote
der Kunden- und Marketingprozesse sein.
2.1.2 Change Management
Die Einführung von CRM bewirkt eine Vielzahl von Veränderungen
im gesamten Unternehmen, worauf es oft zu Widerständen auf Seiten der
betroffenen Mitarbeiter kommt. Auch wenn die Veränderungen grundsätzlich
erwünscht sind, steht in der Regel ein Großteil der Belegschaft den Neuerungen
zunächst ablehnend und misstrauisch gegenüber. Die Aufgabe des Change Managements
besteht darin, alle im Rahmen einer CRM Einführung einhergehenden Veränderungen
im Unternehmen in proaktiver Art und Weise zu behandeln. Im Mittelpunkt
steht hierbei Überzeugungsarbeit für das CRM-Projekt zu leisten, um bei den
Mitarbeitern einen Bewusstseinswandel anzuregen und Widerstände abzubauen.
Letztendlich entscheiden die Mitarbeiter, inwieweit sie das CRM-System nutzen
bzw. wie kundenfreundlich sie sich verhalten. Ein CRM-Projekt gegen den Willen
der Belegschaft durchsetzen zu wollen, ist demnach sinnlos. Die beste CRM-Strategie
ist zum Scheitern verurteilt, wenn sie aufgrund mangelnder Akzeptanz im
Unternehmen nicht gelebt wird. Die Mitarbeiter sind somit der entscheidende
und zugleich größte Risikofaktor einer CRM-Einführung.
Um den erfolgreichen Verlauf eines CRM-Projekts gewährleisten zu
können, sollte man im Rahmen des Change Managements u.a. auf folgende Punkte
achten:
·
Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein CRM-Projekt ist das Commitment
durch das Top Management. Hierdurch wird allen Mitarbeitern im Unternehmen
die hohe Priorität des Vorhabens signalisiert und führt im allgemeinen zu einer
höheren Motivation und Identifikation der Mitarbeiter mit dem Projekt.
·
Eine weitere Grundvoraussetzung für die Akzeptanz von CRM
ist die frühzeitige Information aller Betroffenen. Über das Intranet
oder Mitarbeiterzeitschriften besteht die Möglichkeit kontinuierlich neue
Informationen über das Projekt publik zu machen. Informationen über Projektziele,
Projektmitarbeiter und Projektstatus sind so für alle Mitarbeiter zugänglich.
Die Unsicherheit der Belegschaft bezüglich der geplanten Neuerungen kann
dadurch reduziert und das Interesse am Projekt erhöht werden. Wie Mitarbeiter
auf Veränderungen im Unternehmen reagieren, hängt zum einen davon ab, welche
Führungskräfte das Projekt unterstützen und wie diese mit den Ängsten und
Befürchtungen der Mitarbeiter umgehen. Bei der Auswahl des Schlüsselpersonals
(Projektleiter, Change Manager) ist deshalb im Besonderen auf die sozialen
Kompetenzen der Bewerber zu achten.
·
Ein weiterer wichtiger Punkt im Rahmen eines CRM-Konzeptes
stellt die frühzeitige Einbindung der betroffenen Fachbereiche dar. Sie
stehen im direkten Kundenkontakt und sind in der Lage, Verbesserungspotenziale
hinsichtlich Prozessen, Datenverwaltung sowie des Umgangs mit den Kunden aufzuzeigen.
Die Aufgabe der Fachvertreter besteht darin sicherzustellen, dass die Lösung
den tatsächlichen Erfordernissen und Bedürfnissen der Anwender entspricht.
·
Ein bedeutender Erfolgsfaktor für ein CRM-Konzept stellt
die intensive Schulung der Mitarbeiter dar. Die beste CRM-Lösung ist
nutzlos, wenn die Mitarbeiter nicht lernen, diese effizient zu nutzen. Wichtig
ist hierbei, dass sich diese Schulungen nicht nur auf die Einführung der Lösung
beziehen, sondern die Mitarbeiter auch danach kontinuierlich weitergebildet
werden.
2.2 Der
CRM Regelkreis
2.2.1 Integration aller Kundeninformationen
Jeder Kunde hinterlässt an den unterschiedlichsten Stellen im Unternehmen
seine Spuren. So lässt es sich in der betrieblichen Realität häufig beobachten,
dass die Informationen über einen Kunden auf mehrere Dutzend Datenbanken
verteilt sind. Dies führt an den einzelnen Kontaktpunkten zwischen Kunde und
Unternehmen (Customer Touch Points) zu einer unzureichenden Kenntnis
über die spezifischen Bedürfnisse und Erwartungen des Kunden. Aus diesem Grund
muss die Integration der Kundeninformationen aus den Bereichen
Marketing, Vertrieb, Service etc. vorangetrieben werden, um dadurch ein
möglichst scharfes und umfassendes Bild vom Kunden und seiner
Geschäftsbeziehung zu erhalten (One Face of the Customer). Grundlage
hierfür bildet die Integration aller (!) kundenspezifischen Informationen
in ein Customer Data Warehouse.
Dieser Artikel ist der Studie CRM 2002 - So binden Sie Ihre
Kunden, ein Gemeinschaftsprojekt des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik der
Universität Eichstätt und der "absatzwirtschaft - Zeitschrift für
Marketing", entnommen.